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Wettbewerb '02
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Hanno Hirschs Twist

Alle Teilnehmer am Wettbewerb können ihr Projekt hier auch ausführlicher vorstellen als es auf der Übersichtsseite möglich ist. Diese Gastbeiträge liegen in der Verantwortung des jeweiligen Autors - wir verstehen sie als Diskussionsbeitrag und nicht als Hervorhebung einzelner Teilnehmer.

 

Das Faltliegerprojekt Twist
oder Wieviel Liegerad braucht der Mensch?

Von Hanno Hirsch

Wie kommt man auf die Idee, ein faltbares Liegerad haben zu wollen? Wenn man seinen Hintern erst mal mit dem Liegeradfahren verwöhnt hat, will man halt auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln mobil sein. Mit dieser Intention habe ich einst ein original Flevobike angeschafft, weil ein Freund es praktizierte, das zerlegt sogar im ICE als Handgepäck zu transportieren. Das habe ich dann auch ein paar mal gemacht, aber die Faltzeit lag bei etwa drei Minuten, das Paket wiegt dann bandscheibenkillende 17 kg. Kein Wunder daß ich auf die Idee kam, das Konzept etwas weiter zu verfeinern.

Aber jahrelang trug ich die Idee zu einem Falt-Klapp-Knicklenker nur im Kopf mit mir herum. 2001 dann habe ich den ersten Faltliegerad-Designwettbewerb mit initiiert, um den nötigen Druck zu erzeugen, die Idee auch Wirklichkeit werden zu lassen. Für mich waren dabei (leider nicht auch für die damalige Jury) besonders die Kriterien Faltzeit, Packmaß und Gewicht wichtig. Sämtliches galt es zu reduzieren. Genau, reduzieren war die Devise! Alles Unnötige weglassen, was nicht vorhanden ist, das wiegt nichts und muss nicht gefaltet werden. Das Rad sollte so minimal wie möglich sein. Radikaler Ansatz: Weglassen eines Lenkers und einer Bremse. Beim Knicklenker wird sowieso mit den Beinen gelenkt. Ich hörte von einem behinderten Holländer ohne Arme, welcher Flevobike fuhr. Also musste es möglich sein, ein Flevobike nur mit den Beinen zu steuern, also auch beim Anfahren, mit etwas Übung gelang mir das dann auch mit meinem Flevobike, also war der Ansatz schon mal grundsätzlich machbar. Der Behinderte brauchte dann eben eine Rücktrittbremse, nur eine Bremse wird in Holland scheinbar als ausreichend angesehen, also dann reicht mir auch eine. Zumal eine Rücktrittbremse eine ziemliche Ausfallsicherheit besitzt. (und wie viele Räder, die man so auf der Strasse sieht, haben schon zwei funktionierende Bremsen?).

Also Lenker und eine Bremse weglassen, das vereinfacht die Konstruktion schon mal gewaltig. Das bewährte Faltprinzip vom Flevobike habe ich einfach übernommen: einfach in der Mitte teilen, dann die beiden handlichen Teile irgendwie verstauen. Die beiden Fahrzeughälften haben dann ja (außer einem Stromkabel) keinerlei Verbindung miteinander.

Die nächste Frage war: Läßt sich die Knicklenker-Geometrie auch mit 16" (ETRO 305mm) fahren? Nun, da blieb nur ausprobieren. Ich habe dann einen Rahmen um das orginal Flevo-Knickgelenk gebaut, vollgefedert wie das Flevo, aber für 16" Räder. Dazu noch einen Sitz aus Sperrholz, und siehe da, es war fahrbar! Einige Flevo-Piloten meinten, es fahre sich sogar besser, trotz fehlenden Lenkers, als ein original Flevo. Ein Problem war noch, wohin mit dem Schalter für die 3-Gang Sachs-Torpedo-Nabe, da fand sich dann in Bonanzarad-Manier ein Plätzchen auf dem Oberrohr des Vorderteils. Gefaltet wird das, indem man den Bolzen des Gelenks mit dem Vorderteil aus dem Hinterteil herauszieht, beide Teile auf den Sitz legt und mit Gummiexpandern auf dem Sitz fixiert. Als besonderer Gag kann man dann Rucksackgurte mit Karabinderhaken am Sitz einhängen, einen Überzug über das Paket ziehen und so das Rad wie einen Rucksack tragen.

Hanno Hirsch
Hanno Hirsch
Hanno Hirsch

Ich habe bisher einige Reisen mit dem Twist unternommen und es hat sich als Paket im Zug als handlicher als ein Brompton herausgestellt, mit 11.2 kg wiegt es auch weniger. Die Dreigangnabe und die Rücktrittbremse haben sich auch auf ausgedehnteren Touren in Südfrankreich durchs bergige Pays Carthare als ausreichend erwiesen. Über Fahrkomfort brauche ich wohl nicht viel zu schwärmen, die gezogenen Schwingen bei geringer ungefederter Masse bieten ein super Ansprechverhalten. So hat das Twist, obwohl ihm im ersten Faltlieger-Wettbewerb jegliche Reisetauglichkeit abgesprochen wurde, sich auf Touren bisher recht gut bewährt. Gepäck wird bis Rucksackgröße einfach von hinten an den Sitz gezömmt, was da nicht draufpasst kann man getrost in Händen tragen, die hat man ja eh frei und die haben sonst nix zu tun beim Fahren.

Die Weiterentwicklung "Twist Mk 2" wird hoffentlich weniger Gewicht auf die Waage bringen, dazu habe ich Überlegungen, die Frontfederung und das schwere Mittelgelenk auch wegfallen zu lassen, vielleicht läßt sich das Design noch mehr reduzieren. Auf jeden Fall hat es unheimlich Spaß gemacht, an jedem Gramm zu knausern und zu überlegen, was entfallen kann.